Erfahrungsbericht aus der Ukraine: „Ein seltsamer Krieg“

Autor
Deutsche Ordensprovinz der Dehonianer SCJ
Datum
24.5.24

„Wir stehen vor einem hohen Wohnblock im Charkiw im Stadtteil Saltiwka - ein durch Raketenbeschuss zerstörtes Gebäude. Rauchwolken steigen auf. Ein Bagger schaufelt die Ruine um, der Abriss ist im Gange. Ein Wachmann erfährt, dass wir aus Polen kommen und humanitäre Hilfe mitgebracht hätten. Er drückt meine Hand fest und wiederholt mehrmals mit Nachdruck: Vielen Dank für eure Hilfe!"

So beginnt der Reisebericht von Pater Piotr Chmielecki SCJ. Der Leiter der polnischen Missionsprokura der Herz-Jesu-Priester koordiniert gemeinsam mit Pater Gerd Hemken SCJ die Hilfe aus diesen beiden Ländern für die Ukraine. Nach Ostern war er zum fünften Mal in der Ukraine und erklärt: „Ohne Übertreibung kann ich sagen, dass es dort jetzt seltsam ist.“

Gerade war er für einige Tage im Herz-Jesu-Kloster Neustadt. Von hier aus ist er mit dem aus Spendenmitteln gekauften Transporter weitergefahren nach Oberhausen. Gemeinsam mit Pfarreiangehörigen der St. Michaelkirche und dem Verein Gromada e.V. wurden dort rund 1000 Kilogramm Lebensmittel und Hygieneartikel gesammelt. Von da ging es weiter Richtung Ukraine.

Acht-Punkte-Plan ist ein Erfolg

Regelmäßige Spendentransporte aus Deutschland und Polen sind Teil eines Acht-Punkte-Plans, den die beiden Herz-Jesu-Priester Gerd Hemken und Piotr Chmielecki entwickelt haben, um den Menschen in der Ukraine zu helfen. Er entstand nach ihrer ersten gemeinsamen Fahrt im Frühjahr 2023. „Ich bin sehr zufrieden, bisher hat alles geklappt, was wir uns vorgenommen haben, dank der großen Spendenbereitschaft auch in Deutschland“, sagt der polnische Missionsprokurator.
Während es im vergangenen Jahr unter anderem eine Freizeit für Jugendliche in Maria Martental gab, wird die polnische Ordensprovinz in diesem Sommer ein Feriencamp in großem Stil im eigenen Land anbieten: „Wir werden es rund 400 Jugendlichen ermöglichen, sechs Tage lang zu verreisen“, kündigt er an.

„Hervorragend“ arbeite die Stiftung „Kulbabka“, die sich mit vielfältigen Angeboten um kriegs-traumatisierte Kinder und um deren Familien kümmert. „Alle Kinder in der Ukraine leiden“, weiß P. Chmielecki – nicht nur die, die direkt an der Front leben. „Alle haben Angst, um ihre Väter oder Bekannte, und sie können nicht verstehen, was da in ihrem Leben geschieht.“

Mittelfristig planen die Herz-Jesu-Priester in der Ukraine weitere Hilfsangebote – für die Zeit des Krieges, und für die Zeit danach. Etwa in Irpin, wo sie eine Pfarrei haben, gerade eine neue Kirche fertig bauen und in freiwerdenden Räumen neue Hilfen anbieten wollen.

Blau-gelbe Fahnen auf Soldatengräbern

Nach fünf Fahrten in die Ukraine kennt sich der polnische Herz-Jesu-Priester inzwischen ganz gut aus. „In der Zentralukraine hat sich durch den Krieg nicht viel verändert“, sagt er: „Die Menschen dort waren schon immer arm. Das Einzige, was jetzt neu ist, ist dass Männer an der Front kämpfen und sterben.“ Auf den Friedhöfen sieht er immer häufiger Gräber, auf denen die blau-gelbe Fahne weht: ein Zeichen, dass hier ein gefallener Soldat beerdigt ist. Daher hätten die Menschen hier mehr Angst um ihre kämpfenden Männer als davor, den Krieg zu verlieren.

Die gesammelten Spenden gehen alle in den Osten des Landes, nach Charkiw und noch weiter in Richtung Front. „Dort ist die Situation sehr schlimm, die Menschen hören Tag und Nacht die Bomben“, erzählt P. Chmielecki. Sie haben Angst, dass die einzelnen Dörfer von der russischen Armee (zurück) erobert werden, dass der Vormarsch nach Charkiw anhält und die Stadt eingekesselt wird.

Bomben zerstören die Häuser, und die Menschen bauen sie wieder auf. P. Chmielecki hat beispielsweise erlebt, wie zerborstene Fenster ersetzt wurden – trotzig und voller Hoffnung, dass dieser Krieg nicht verloren gehen wird. „Sie sagen zu mir: Das ist unser Land, wir bleiben, und wir werden es behalten!“

Menschen warten sehnsüchtig

Der Weg, den die deutschen und polnischen Sachspenden gehen, ist die ganze Zeit der gleiche geblieben: An der polnisch-ukrainischen Grenze werden sie entgegengenommen und nach Pershotravensk in die Zentralukraine gebracht. Dort werden sie umverpackt in handliche Pakete für eine Person oder eine Familie. „Die Menschen warten sehnsüchtig auf diese Pakete, sie sind darauf angewiesen“, erlebt der Herz-Jesu-Priester immer wieder.

Dieses Vorgehen spart Zeit, aber vor allem beugt es möglicher Veruntreuung oder Korruption vor. P. Chmielecki will sich regelmäßig davon überzeugen, dass die Hilfsgüter tatsächlich da ankommen, wo es vorgesehen ist; das ist ein Grund, weshalb er immer wieder in die Ukraine reist. Ein anderer ist ebenso wichtig: „Für die Menschen dort ist es extrem wichtig, dass wir selbst kommen. Sie sind dankbar für unsere Hilfe, aber auch für unsere Solidarität. Und mir ist dieser Einsatz wichtig, weil es Teil unseres Ordensauftrags ist; Nächstenliebe, da zu sein für unsere Mitmenschen in Not.“

Foto © scj.de: P. Gerd Hemken SCJ verabschiedet seinen Mitbruder P. Piotr Chmielecki SCJ am Transporter, der aus Spendengeldern finanziert wurde