Generalkapitel in Rom: "Berufen, eins zu sein in einer sich verändernden Welt"

Gruppenbild: Teilnehmer des Generalkapitels
Autor
Deutsche Ordensprovinz der Dehonianer SCJ
Datum
9.7.24

Nach rund drei Wochen ist das Generalkapitel in Rom zu Ende gegangen. In der letzten Kapitelwoche befassten sich die 78 Dehonianer aus aller Welt mit den Themenblöcken Identität, Gemeinschaft, Wirtschaft, Mission, Aus- und Weiterbildung und Governance (übersetzt in etwa: Leitungsstrukturen und Leitungsstile).

Provinzial Pater Stefan Tertünte SCJ empfindet nach dieser Zeit Dankbarkeit für die Erfahrung der Kongregation, auch für die großen Verschiedenheiten. Er sagt: „Ich kehre ich zurück nach Deutschland in dem Bewusstsein, dass für uns nun die Kapitelsarbeit erst anfängt.“

Das Generalkapitel ist das wichtigste Treffen der Ordensgemeinschaft und findet alle sechs Jahre statt. Es stand unter dem Motto: „Berufen, eins zu sein in einer sich verändernden Welt.“ Für Deutschland waren neben Provinzial P. Stefan Tertünte SCJ auch Pater Olav Hamelijnck SCJ vertreten. Pater Sergio Rotasperti SCJ, der in Freiburg lebt, war als Leiter der Kommunikationsgruppe ebenfalls in Rom.

Die ersten Tage des Kapitels fasste P. Tertünte in einem Brief an seine deutschen Mitbrüder zusammen. Es sei ein „sehr, sehr junges Generalkapitel, insbesondere durch die afrikanischen Mitbrüder“, berichtet er.  Vor der eigentlichen Arbeit gab es einen Besinnungstag mit zwei Vorträgen eines Jesuiten von den Kanarischen Inseln. Er gab einige Inputs vor dem Hintergrund des Kapitelmottos: „Berufen, eins zu sein in einer sich wandelnden Welt - damit sie glauben" (Joh 17,21)“. Hängengeblieben ist P. Tertünte dabei vor allem dieses: „Diversität steht der Einheit nicht entgegen, im Gegenteil. Sie entspringt der gottgewollten Einzigartigkeit jedes Menschen. Und was für den Einen gut ist, muss nicht für alle gut sein.“

„Wundertüte SCJ“

Zunächst verschafften sich die Herz-Jesu-Priester einen Überblick über die aktuelle Situation der Kongregation - über Zahlen und Entwicklungen, Hoffnungszeichen und Herausforderungen. Für Pater Tertünte war dieses Hören aus dem Leben der Kongregation mit über 2.000 Mitgliedern, in 45 Ländern höchst interessant: „Es ist einfach so viel Leben in der Wundertüte SCJ drin!“, ist er begeistert.

Ähnlich verhielt es sich mit der Vorstellung von jedem Kontinent bzw. jeder „kulturell-geographischen Zone“ über die Aufgabe, das Leben und Wirken der Dehonianer dort: Afrika, Asien, Nordamerika, Südamerika, Europa. „Dabei kamen Lebensbeispiele und SCJ-Realitäten zum Vorschein, die beeindruckten: das Leben unserer asiatischen Mitbrüder als teilweise winzig kleine Minderheit (Indien 1,5%, Indonesien 3%, Vietnam 7%), insbesondere in Indonesien die Erfahrung des Zusammenlebens mit dem Islam bis in die eigene Familiengeschichte, ebenso die Erfahrung zahlreicher aktueller Kriege auf dem afrikanischen Kontinent“, berichtet P. Tertünte.

Nach einem gemeinsamen Ausflug aller Kapitelsteilnehmer nach Castel Gandolfo am Samstag fuhren P. Tertünte und P. Hamelijnck am ersten Sonntag an den Stadtrand Roms. Die Gemeinschaft Sant’Egidio betreibt dort eine sehr lebendige Kunstschule für geistig behindert junge Erwachsene. Gleichzeitig versorgen die Ehrenamtlichen viele alleinstehende ältere Menschen in den großen Wohnsilos mit Lebensmitteln und menschlicher Nähe. Und sonntags helfen sie, dass die Freunde der Kunstschule und die oft bewegungseingeschränkten Senioren wohnungsnah einen Gottesdienst feiern können. P. Tertünte, der als Leiter des „Centro Studio“ einige Jahre in Rom lebte, erzählt: „Ich habe die Gottesdienste dort immer genossen, deshalb bin ich gerne dort gewesen, habe alte Bekannte und neue Gottesdienstteilnehmende getroffen. Es ist wirklich eine Gemeinschaft von Menschen, die alle mit mehr oder weniger großen Einschränkungen unterwegs sind, die die Nähe Gottes zu ihnen und untereinander gerne feiern“, ist er nach wie vor begeistert.

Arbeitssitzungen

Die zweite Woche war von zahlreichen Arbeitssitzungen geprägt. So wurde zunächst die Arbeit des Centro Studio vorgestellt. Es hat unter anderem die Aufgabe, den Dehonianern zu helfen, ihre Geschichte und ihren Geist besser kennenzulernen und daraus Schlüsse für ihr Wirken zu ziehen. Aus dieser Einrichtung seien große Initiativen hervorgegangen, sagt P. Hamelijnck - unter anderem zahlreiche Veröffentlichungen und Fortbildungsangebote.

Weitere Arbeitstage befassten sich mit der inhaltlichen Frage nach der Identität des Ordens sowie das zentrale Thema der Gemeinschaft (communione). So dicht war die Woche, dass am Ende die Köpfe rauchten, wie P. Hamelijnck seinen deutschen Mitbrüdern berichtete.

Auch in der dritten Woche wurde viel diskutiert, entschieden oder Empfehlungen beschlossen. Konkret will die Kongregation zwei neue Kommissionen einsetzen: Eine soll den sozialen Aspekt des Ordens-Charismas stärken und hat den Titel „Ganzheitliche Entwicklung des Menschen (Gerechtigkeit, Friede, Bewahrung der Schöpfung)“. Die andere soll unter dem Stichwort Spiritualität dabei helfen, das Bewusstsein für die charismatische dehonianische Identität zu stärken.

Weltweite Veränderungen

Immer wieder wurde deutlich, dass der Orden weltweit in einem umfangreichen Wandel begriffen ist. So gibt es inzwischen wesentlich mehr Austausch von Ordensmännern von einem Land zum anderen; Mitbrüder gehören nicht mehr automatisch ein Leben lang zu derselben Provinz; Provinzen werden kleiner und drohen zu verschwinden – das sind einige Beispiele dafür.

Für Europa stellt sich da konkret die Frage: „Was können und wollen wir auf europäischer Ebene miteinander angehen? Wann ist auch in Europa der Punkt erreicht, wo es sinnvoll ist, mehrere Einheiten zusammenzulegen?“, berichtet Pater Tertünte.

Gegen Ende des Kapitels wurde die Schlussbotschaft vorgestellt, die drei Mitbrüder während der Kapitelstage erarbeitet hatten - für die Kapitelsteilnehmer hilfreich, um die Ereignisse noch einmal am geistigen Auge vorbeiziehen zu lassen, für die Mitglieder der Kongregation zur Information.

Kultur, Spiritualität und Soziales

In der ganzen Zeit gab es immer wieder auch kulturelle Akzente, viel Geselligkeit und Austausch, Gottesdienste und Gebetszeiten. Dazwischen hörten die Teilnehmer Berichte darüber, wie Dehonianer konkret das Sint Unum in verschiedenen Teilen der Welt leben – unter anderem auch mit einem Interview, in dem die deutsch-polnische Zusammenarbeit für und in der Ukraine beschrieben wurde.

Der Abschluss des Generalkapitels wurde dann in der Pfarrei Christo Re in Rom gefeiert. Zunächst im Schlussgottesdienst, in dem der Generalobere und die Generalräte offiziell ihren Dienst antraten. Und schließlich gab es ein besonderes Abendessen auf einem Fußball-Kleinfeld inmitten der Häuserkulissen. Das Essen wurde von einer Gruppe mit Namen „Warmer Tisch“ vorbereitet die mittlerweile rund 100 Menschen umfasst und die fast täglich abends zahlreiche Mahlzeiten vorbereiten für die Bedürftigen im Stadtteil oder auch im Stadtzentrum. Pater Tertünte berichtet von den  Hintergrunden: „P. Riccardo Regonesi, ehemaliger Missionar in Mozambik, hat vor etwa vier Jahren damit begonnen, Jugendliche bzw. junge Erwachsene einzuladen, bei der Essensverteilung von Sant’Egidio im Stadtzentrum mitzumachen. Nach und nach wuchs die Gruppe stark an, ältere Frauen, die beim Kochen halfen, Pfadfinder, die beim Verteilen dabei sind, junge Studenten, die sich engagieren möchten. Sie haben die verwaiste Großküche der Pfarrei Cristo Re wieder zu Leben erweckt – und uns sehr gut und sehr sympathisch zum Abschluss des Kapitels bekocht und beschenkt.“

Neuwahlen der Generalleitung

P. Carlos Luis Suárez Codorniú wurde während des Kapitels für eine weitere Amtszeit von sechs Jahren zum Generaloberen gewählt. Außer ihm wurde auch die gesamte Generalleitung – ebenfalls für sechs Jahre – neu gewählt.
P. Levi dos Anjos Ferreira (52) wurde am 8. Mai 1972 in Brasilien geboren. Er arbeitete unter anderem im Gymnasium Leoninum Handrup in der Schulseelsorge und dient der seit 2018 als Generalrat.
P. Charles Aime Koudjou (48) wurde am 5. Juli 1975 in Kamerun geboren. In seinem Heimatland arbeitete P. Charles als Ausbilder, bevor er in den letzten vier Jahren als Generalrat nach Rom berufen wurde.
P. Renzo Brena (67) wurde am 28. September 1956 in Italien geboren. P. Renzo ist der derzeitige Provinzial der Norditalienischen Provinz.
P. Agustinus Guntoro (50), geboren am 28. August 1973 in Indonesien, war in den letzten Jahren Mitglied der SCJ-Mission in Asien.
P. Willyans Prado Rapozo (41), geboren am 19. Juli 1982 in Brasilien, ist Pfarrer der Pfarrei St. Helen's in Toronto und Regionalrat in Kanada.

Diese Wahl sei "Ausdruck der Diversität unserer Kongregation“", freut sich P. Hamelijnck

Lobende und ermutigende Worte von Papst Franziskus

Teil des Kapitels war auch eine Audienz bei Papst Franziskus. Seine Rede lesen Sie hier.

Mehr Informationen

Von Beginn an wurde das Kapitel durch eine intensive Medienarbeit begleitet. Eine internationale Gruppe von Mitbrüdern, geleitet von P. Sergio Rotasperti SCJ, kommunizierte auf unterschiedlichen Kanälen die Arbeit des Generalkapitels. Dazu gehören die Produktion von Texten und Videos, aber auch abendliche Live-Schaltungen über youtube mit Interviews. Über www.dehoniani.org , instagram und facebook konnte und kann jeder das Geschehen in Rom verfolgen.