„Scheidungsanwälte haben über Weihnachten Urlaubsverbot“. Sie ahnen schon, warum: Weihnachten ist für manche Menschen purer Beziehungsstress. An Weihnachten kommen oft Menschen zusammen, die gar nicht zusammen sein möchten. Wir hocken so eng beieinander wie sonst nie im Jahr. Man muss so viel Zeit miteinander verbringen wie sonst selten. Und über allem schwebt unheilvoll die Erwartung, dass Weihnachten doch bitte schön friedlich und froh und familiär vonstattengehe.
Wahrscheinlich gibt es kaum Tage im Jahr, an denen Menschen ein so klares Bild darüber im Kopf haben, wie diese Tage eigentlich aussehen und sich anfühlen sollen. Die Chancen, dass sich all diese Vorstellungen eben nicht erfüllen, sind ziemlich groß. Wen wundert es, dass pünktlich zu Weihnachten auch der Alkoholkonsum bundesweit in die Höhe geht – und zwar nicht nur aus Weihnachtsfreude!
Ich darf Ihnen bzw. muss Ihnen versichern, dass diese Entwicklungen auch vor klösterlichen Kommunitäten nicht Halt machen. Auch in Klöstern hängt oftmals eine gewisse Gereiztheit über den letzten Tagen vor Weihnachten – ehrlich gesagt habe ich den Weihnachts-Koller erst im Kloster kennen gelernt, aber ich verrate nicht, in welchem.
An welchem Tag wird der Baum geschmückt – und vor allem: wie wird er geschmückt? Und von wem? Ich bin da durch eine ganz harte Schule gegangen: In unserem Haus in Rom, wo ca. 55 Mitbrüder aus knapp 20 Nationen zusammenleben, war ich immer der einzige Deutsche. Damit konnte ich mich Jahr für Jahr frühzeitig davon verabschieden, etwas deutsche Weihnachten auch in der häuslichen Deko wiederzuentdecken. Minderheitenschutz gibt es nämlich bei der Weihnachtsdeko nicht. Gefühlt zehn Krippen und Bäume wurden in unserem weitläufigen Gebäude an einem vereinbarten Wochenende aufgebaut – ohne mich, das war einfach gesünder…
An keinem einzigen Baum erstrahlte bloß eine Farbe. Die Vielzahl der Farben konnte nur mithalten mit der Anzahl von unterschiedlichen Leucht-Intervallen. Kirmes heißt das bei mir zuhause. Ich erinnere mich aber auch, wie ich vor über 25 Jahren in eben jener römischen Kommunität als junger Pater zusammen mit einem mittlerweile aus der Gemeinschaft ausgetretenen spanischen Mitbruder eine ausgesprochen minimalistische Krippe gebaut habe: ein schwarzes Tuch als Hintergrund, ein weißer Scheinwerfer darauf geworfen, davor lediglich Maria, Josef und das Kind (erst am 24.12.) ohne tierische Gesellschaft und menschlichen Besuch. Ich bewundere heute noch den Langmut vieler Mitbrüder, die dieses Experiment fast einen ganzen Advent lang in der Kirche ertragen haben, ohne uns verbal oder tätlich spüren zu lassen, was sie wirklich davon hielten.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Wie wird er denn nun noch die Kurve bekommen zum tiefen Sinn des Weihnachtsfestes, zur Bedeutung von Krippe und Kind für uns alle und für heute?
Vielleicht gar nicht. Vielleicht finde ich es ja interessanter nach Italien zu gucken, wo am 2. Weihnachtsfeiertag traditionell alljährlich Millionen Menschen in die Kinos strömen. Und wie machen die das dann mit ihren Familien, wenn für diese nur noch ein Feiertag zur Verfügung steht? Vielleicht interessiert mich ja der Satz „Manchmal ist weniger mehr“ mal nicht in der Fastenzeit, sondern jetzt an Weihnachten. Durchaus nicht als Spaßbremse, eher als Frustbremse. Etwas weniger feierlich, etwas weniger Erwartungen, etwas weniger Inszenierungen.
Und dann schaue ich doch auf eine Krippe und denke: In der Tat – Manchmal ist weniger mehr!
Gesegnete Weihnachten wünsche ich Ihnen!
P. Stefan Tertünte scj